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Schneider: „Unser System ist richtig“

Abfall- und Wertstoffwirtschaft Thema im Kreisausschuss – Grüne: Neue Ideen zum Biomüll

Artikel im Alt-/Neuöttinger Anzeiger vom 09.07.2022

Altötting. Auf eine Anfrage von Grünen-Fraktionssprecher Stefan Angstl zum Thema Mülltrennung hin gab es in der jüngsten Sitzung des Kreisausschusses viele aktuelle Informationen zur Abfallwirtschaft im Landkreis im Allgemeinen und zur Biomülltonne im Besonderen. Bei diesem Thema rücken die Grünen von ihren bisherigen Maximalforderungen ab.

Die Heimatzeitung hatte am 27. Juni einen Bericht veröffentlicht, in dem zu lesen war, dass der Landkreis Altötting beim Müllsparen deutschlandweit nur auf Rang 283 liegt und bei der Mülltrennung auf Rang 169 von bundesweit 393. Jeder einzelne im Landkreis verursacht 213,3 Kilogramm Abfall und Sperrmüll im Jahr. Im Kreis Aschaffenburg, dem Meister im Müllsparen, sind es nur 68,2 Kilogramm.

Stefan Angstl appellierte, Müll zu sparen. Insbesondere bezüglich organischer Abfälle gebe es noch Möglichkeiten. Nachdem der Landkreis zwar für die Biomüllverwertung sorgen müsste, sich aber weigert, eine Biotonne einzuführen, was die Grünen seit Jahren fordern, machte deren Fraktionssprecher den Vorschlag, versuchsweise mehrere Hauskompostierungsanlagen zu finanzieren sowie in einem eng umgrenzten städtischen Gebiet des Landkreises versuchsweise ein Bringsystem für Biomüll anzubieten. Die Ergebnisse sollten wissenschaftlich ausgewertet werden. Das Geld stehe ja zur Verfügung; 100000 Euro sind im Kreishaushalt 2022 für das Thema Biomüll eingestellt. Außerdem sollte der Umweltausschuss eine Informationsfahrt zu einer Bioabfallverwertungsanlage unternehmen. Mit Angstls Antrag wird sich zunächst der Umweltausschuss des Kreistags befassen. Für dezentrale Lösungen zeigte sich der Landrat zugänglich.

Imelda Niederbuchner, Abfallberaterin am Landratsamt, bestätigte die Statistiken, die der Berichterstattung am 27. Juni zugrunde liegen: „Da gibt es nichts zu beschönigen.“ Und zur Begründung sagte sie: „Wir sind halt so unheimlich günstig.“ Im Gegensatz zu Aschaffenburg: Dort sei die Abfallgebühr aufgeteilt in eine Grundgebühr von 4,50 Euro, eine Gebühr von 2,70 Euro pro Leerung und einer Gewichtsgebühr von 25 Cent pro Kilogramm. Für eine 120-Liter-Tonne errechnete Niederbuchner eine Jahresgebühr von 155 Euro. Im Landkreis Altötting sind es für die 60-Liter-Tonne 25,80 Euro im Jahr. Da es aber keine Pflicht zur Leerung gibt, würden die Aschaffenburger eben Müll und somit Geld sparen: „Dann trennt der Bürger“, so Imelda Niederbuchner.

Auch wenn bei der Mülltrennung im Landkreis Altötting Luft nach oben ist, sei „unser System trotzdem richtig“, sagte Landrat Erwin Schneider. Denn die Mülltrennung funktioniere nur sehr bedingt und bringe auch nicht die Ergebnisse, die propagiert würden. Denn Biotonne und gelber Sack würden oft als zweite Restmülltonne missbraucht. „Diese Ideologie kostet 600 Prozent“, sagte der Landrat mit Blick auf den Vergleich der Kosten zwischen Aschaffenburg und Altötting.

„Die Kreislaufwirtschaft ist ein Schwindel“, schimpfte der Landrat insbesondere mit Blick auf Kunststoff. Recycling werde vorgegaukelt, dabei gingen nur sechs Prozent des gesammelten Materials wieder zurück in den Kreislauf. 55 Prozent würden insbesondere in Zementfabriken verheizt, aus knapp 40 Prozent würden Dinge gemacht, die auch anderweitig hergestellt werden können. Wobei der Landkreis mit der Wertstofferfassung im gelben Sack nichts zu tun hat; dies ist privatwirtschaftlich geregelt.

Zum Thema Biomüllerfassung meinte der Landrat, dies sei zumeist „ökologisch Mist“. Vergärung sei nur sinnvoll, wenn auch das entstehende Gas und die Wärme verwertet würden. Der Landkreis Traunstein etwa liefere seinen Bioabfall an eine Firma im Kreis Erding. Die hier entstehende Wärme „geht in die Luft“. Das sei ökologisch schlecht und auch teuer. Wie im Landkreis Altötting vorgegangen werde, sei dagegen sinnvoll. Papier, Glas und Metall werden getrennt gesammelt. Um weiter zu trennen, müssten die Gebühren erhöht werden – und „das dürfen wir nicht“.

Vielmehr wäre sogar noch eine Gebührensenkung möglich, weil der Zweckverband Abfallverwertung Südostbayern (ZAS), der das Müllheizkraftwerk in Burgkirchen betreibt, finanziell so gut dastehe. Wie dessen kaufmännischer Geschäftsleiter Robert Moser auf Nachfrage der Heimatzeitung erklärt, verfüge der Verband aktuell über 80 Millionen Euro liquide Mittel.

Die Verbrennungsgebühren, die der Landkreis Altötting bezahlt, seien mit 23 Euro pro Tonne extrem niedrig; die anderen Verbandsmitgliedslandkreise zahlen 63 Euro, weil der Transport mit 40 Euro zu Buche schlägt. Es gebe einen Beschluss, die liquiden Mittel abzuschmelzen, sagte der Landrat – doch das gestalte sich schwierig. Denn die Energieerlöse stiegen unerwartet und stark an. Den Grund wiederum erläutert Robert Moser: Der aktuelle Gaspreis bestimmt die diesbezüglichen Einnahmen – und der ist wegen des Krieges in der Ukraine auf Höchstniveau. 2020 lagen die Dampferlöse bei 2,5 Millionen Euro, 2021 bei gut 7 Millionen Euro. Die Energieerlöse 2021 aus Strom, Fernwärme und Dampf betrugen 9,6 Millionen Euro und werden 2022 noch deutlich steigen, weiß Robert Moser.

Vor diesem Hintergrund brachte CSU-Kreisrat Benedikt Dittmann wieder die Forderung in die Diskussion ein, der ZAS müsse investieren, etwa in eine Klärschlammtrocknung oder den Ausbau der Fernwärmeversorgung. Ihm sei bewusst, dass dies aktuell nicht Verbandszweck ist, aber „dann müssen wir an die Satzung ran“.

Robert Moser bestätigt, dass laut Satzung die thermische Verwertung von Haus- und Gewerbemüll im Vordergrund stehe. Klärschlammbehandlung beispielsweise sei ausgeschlossen. Mittels Satzungsänderung könnte man neue Aufgaben definieren. Es ist eine Informationsfahrt geplant, um sich zum Thema Klärschlamm auf den aktuellen technischen Stand zu bringen.− ecs